Entwicklung bis heute
Wie beim Kupferstich war auch beim Stahlstich ursprünglich der Handabzug auf der Kupferdruckpresse üblich. Der Drucker musste zunächst die Farbe aus Pigment und Bindemittel selbst anreiben. Danach wurde die Platte mit dem Ballen eingefärbt und mit Tüchern und Papier wieder blank gewischt. Nur die vertiefte Gravur hält jetzt noch die Farbe.
Ganz nach Wunsch konnte der Drucker einen Hauch von Farbe auf der Plattenoberfläche stehen lassen und dadurch noch einen „Plattenton“ mitdrucken.
Diese Technik wird heute noch von Künstlern, die Druckgrafik betreiben, angewandt.
Für die höheren Auflagen, die mit dem Stahlstich aber erzielt werden sollten, war diese Technik des Handdrucks viel zu mühsam. Durch die einsetzende Industrialisierung und die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt wurde versucht, die mühsame Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen. In England wurden die ersten Webstühle gebaut und wenig später, ungefähr um 1850, bauten die Engländer die erste Stahlstichmaschine, die wesentliche Arbeitsschritte maschinell ausführen konnte.
Die sehr schwer gebauten Maschinen hatten ein einfaches Farbwerk, das es ermöglichte, die Platten bei jedem Druckgang neu einzufärben. Das Wischen mit Tüchern wurde durch ein Rakel und eine Papierrolle ersetzt, die die Gravur bei jedem Druckgang blank wischen konnte. Das Papier der Rolle wird dabei jedes Mal ein Stück vorgezogen, so dass immer neues, unverbrauchtes Papier zur Verfügung steht. Dadurch war es möglich, schnell und in großer Zahl Prägungen herzustellen.
Die Prägereien in England nutzten die Möglichkeit und konnten den vielen kleinen und großen Manufakturen, auch den Industriebetrieben, die überall entstanden, ebenso den Kanzleien und Privatpersonen Briefpapiere und Geschäftskarten in neuer, viel hochwertigerer Qualität anbieten, als die Kunden es bislang vom vorherrschenden Buchdruckverfahren her gewohnt waren.
Wie der Webstuhl kam wenige Jahre später die neue Technik dann auch auf den Kontinent, wo sie viele eifrige Anhänger fand. Die Maschinen waren damals so gebaut, dass das Farbwerk oben und die Gravur unten war. Die Bögen wurden, wie beim Drucken damals allgemein üblich, von Hand an- und ausgelegt. Da das Stahlstich-Prägeverfahren ein direktes Druckverfahren ist, hatte das zwangsläufig zur Folge, dass das Druckbild beim eingelegten Bogen auf der Bogenunterseite stand. Es erforderte viel Geschick, den Bogen aus der Maschine zu nehmen, ohne die frische Prägung gleich wieder zu verschmieren. Die spärliche Literatur verweist darauf, dass kundige Frauenhände dies tadellos zustande brachten. Jahrzehntelang war dies die einzige Möglichkeit, maschinell hergestellte Stahlstichprägungen auszuführen. Unermüdlicher Erfindergeist jedoch ersann im neu angebrochenen Jahrhundert Abhilfe.
Das für den Präger mühsame „Handling“ wurde durch eine völlige Neukonstruktion wesentlich erleichtert. Die Konstrukteure drehten die Geschichte einfach um. Im Grunde war der Gedanke simpel – sie setzten die Gravur kopfunter nach oben und das Problem war – fast – gelöst. Die Neukonstruktion kam unter dem Namen „inverted“ auf den Markt.
Plötzlich war es möglich, das Ergebnis der Prägung unmittelbar nach dem Prägevorgang zu sehen und auch den Bogen ganz ungefährlich wieder aus der Maschine zu nehmen. Zusätzlich eröffnete sich dadurch auch die Möglichkeit, auf denselben Bogen zwei Prägungen auszuführen, indem der Bogen eingedreht wird. Dieses Eindrehen hätte bei der bisher verwendeten Konstruktion unweigerlich die erste Prägung zunichte gemacht. Das Prägen ging schneller vonstatten und zudem konnte noch Papier eingespart werden.
Der letzte Entwicklungsschritt, den die Stahlstichpressen erfuhren, war etwa um 1960 die Konstruktion des automatischen An- und Auslegers. Dadurch konnte wie bei den damals allgemein üblichen Buchdruckmaschinen das Papier automatisch durch die Maschine geführt werden.
Diese Automatisierung steigerte auch die Produktion. Von den bisher möglichen 500 bis 880 Prägungen, die ein geschickter Präger pro Stunde leisten konnte, wurde die Stundenleistung jetzt auf ca. 1500 bis 1800 Bogen angehoben. Die Maschinen sind mittlerweile seltene Raritäten geworden, da die Produktion neuer Stahlstichmaschinen sowohl vom Hersteller in England wie auch vom Lizenznehmer für einen deutschen Nachbau der Maschine Anfang der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts eingestellt wurde.
Daher werden die Maschinen in den Betrieben sehr sorgfältig gepflegt.
Anfallende Wartungs- und Reparaturarbeiten müssen vom Präger selbst erledigt werden. Auch die heutigen Maschinen arbeiten immer noch mit der Technik der Gründerväter; lediglich leichte Modifikationen haben sich durchsetzen können. Alle Stahlstich-Maschinen sind ausschließlich Einfarben-Maschinen, und je nach Sujet, Bogengröße, Schwierigkeit, Farbtyp etc. wird entschieden, welcher Typ zum Einsatz kommt.
Auch heute noch entsteht keine Stahlstich-Prägung ohne das Wissen, das Geschick, die Geduld und die Leidenschaft des Prägers, der sie ausführt.