Vollendete Perfektion

Stahlstich

Ein Verfahren, bei dem technisches Wissen und Können sowie künstlerische Fähigkeiten benötigt werden.

Die Geschichte

Die Stahlstich-Prägetechnik ist alt und erscheint manchem Zeitgenossen eher antiquiert. Auch die Prägereien in Europa sind mittlerweile so selten geworden wie die Glockengießer. Da der Mensch sich aber auch in der heutigen Zeit noch für schöne und außergewöhnliche Dinge zu begeistern vermag, ist der Fortbestand dieser wunderbaren Technik wohl auch für die Zukunft gesichert.

Der Stahlstich-Prägedruck ist ein Tiefdruckverfahren, das sich aus dem Kupferstich und dessen Varianten (Radierung, Mezzotinto etc. ) entwickelt hat. Lange Zeit war der Kupferstich die einzige Möglichkeit für einen Künstler, Blätter in höherer Auflage zu erstellen. Bekannte Kupferstecher waren z. B. Albrecht Dürer aus Nürnberg und Matthias Merian d. Ä. aus Basel.
Durch die fortschreitende Verbreitung des Buchdrucks wurden Bücher in immer höheren Auflagen hergestellt, und die Drucker und Verleger suchten nach einer Möglichkeit, Buch-Illustrationen auch in höheren Auflagen herstellen zu können.
Mit der Kupferplatte war dies mühsam, und für höhere Auflagen mussten nolens volens dann mehrere Original-Platten hergestellt werden. Um diesen Umstand zu umgehen, versuchten die Kupferstecher, das Bild statt in Kupfer in die viel härtere Stahlplatte zu gravieren.
Je nach Motiv wurde die Platte entweder direkt mit dem Stichel gestochen, oder es wurde eine Radierung angefertigt und die Platte anschließend mit Eisenchlorid geätzt.
Als dies gelang, stand der Weg für Bilddarstellungen in höheren Auflagen offen.
Ab 1820 lassen sich erste Stahlstich-Drucke für bildhafte Darstellungen, für Illustrationen in Büchern, nachweisen.

Die Gravur heute

Stahlstich-Gravuren werden auch heute noch als Einzelstücke vom Stahlstich-Graveur hergestellt. Sie haben nichts zu tun mit industriell hergestellten Druckformen, die jedermann beliebig oft und in gleichbleibender Qualität herstellen kann.
Der Stahlstich-Graveur unserer Zeit ist ein sehr gesuchter Spezialist, der neben einem hohen technischen Wissen und Können auch eine weit entwickelte künstlerische Fähigkeit braucht, um die Vorlagen, die ihm heute zur Gravur vorgelegt werden, umsetzen zu können.
Sicherlich sind die Werkzeuge und die ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel besser als zu Dürers Zeiten, aber die Grundzüge der Arbeit sind die gleichen geblieben.
Allein seine Vorstellungskraft aber vermag es, durch feine Linienführung und angepasste Gravurtiefe der Schrift oder der Illustration diese wunderbare Lebendigkeit und Tiefe zu verleihen, die mit keinem anderen Druckverfahren auch nur annähernd erreicht werden kann.
Durch die künstlerische Hand des Graveurs entsteht ein Druckbild, das eben nicht nur in der Fläche, sondern auch in der dritten Dimension vorhanden ist und so durch feine Licht- und Schattenwirkung dem Druckbild jene Eleganz verleiht, die den Stahlstich-Prägedruck damals wie heute so begehrenswert macht.
Noch vor einigen Jahrzehnten war es für Graveure üblich, die Bilder oder die Schriften frei nach der Vorlage seitenverkehrt direkt auf den Stahl zu zeichnen, um dann schrittweise jede einzelne Partie mit Stichel, Meißel und Punzen herauszuarbeiten, so lange, bis nach mehreren Versuchsabzügen die Gravur dann seiner Vorstellung und der des Kunden entsprach.
Die Weiterentwicklung der Technik hat es auch hier ermöglicht, dass unsere Graveure heutzutage Filmvorlagen verwenden können. Das Motiv oder die Schrift wird auf fotografischem Weg auf die Gravur übertragen und dann ganz leicht angeätzt. Das erspart dem Graveur die Vorzeichnung auf dem Stahl. Die eigentliche Gravur geschieht dann aber wie seit jeher – von Hand mit dem Stichel. Das mag dem Laien sicherlich immer noch sehr mühsam erscheinen, aber weder ausgefeilte Ätztechnik noch CNC-gesteuerte Maschinen erlauben eine derart differenzierte Ausarbeitung der Gravur, wie es ein erfahrener Stahlstich-Graveur vermag.
So ist und bleibt jede Gravur eine künstlerische Handarbeit, ein Unikat, das – auch vom selben Graveur – nicht ganz exakt gleich wiederholt werden kann und schon daher eine besonders hohe Fälschungssicherheit aufweist. Diese Besonderheit hebt die Stahlstich-Gravur weit über alle anderen Druckformen hinaus.
Sie trägt immer die „Handschrift“ eines Menschen und kann daher niemals durch irgendein Industrieprodukt auch nur annähernd ersetzt oder simuliert werden.

Entwicklung bis heute

Wie beim Kupferstich war auch beim Stahlstich ursprünglich der Handabzug auf der Kupferdruckpresse üblich. Der Drucker musste zunächst die Farbe aus Pigment und Bindemittel selbst anreiben. Danach wurde die Platte mit dem Ballen eingefärbt und mit Tüchern und Papier wieder blank gewischt. Nur die vertiefte Gravur hält jetzt noch die Farbe.
Ganz nach Wunsch konnte der Drucker einen Hauch von Farbe auf der Plattenoberfläche stehen lassen und dadurch noch einen „Plattenton“ mitdrucken.
Diese Technik wird heute noch von Künstlern, die Druckgrafik betreiben, angewandt.

Für die höheren Auflagen, die mit dem Stahlstich aber erzielt werden sollten, war diese Technik des Handdrucks viel zu mühsam. Durch die einsetzende Industrialisierung und die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt wurde versucht, die mühsame Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen. In England wurden die ersten Webstühle gebaut und wenig später, ungefähr um 1850, bauten die Engländer die erste Stahlstichmaschine, die wesentliche Arbeitsschritte maschinell ausführen konnte.
Die sehr schwer gebauten Maschinen hatten ein einfaches Farbwerk, das es ermöglichte, die Platten bei jedem Druckgang neu einzufärben. Das Wischen mit Tüchern wurde durch ein Rakel und eine Papierrolle ersetzt, die die Gravur bei jedem Druckgang blank wischen konnte. Das Papier der Rolle wird dabei jedes Mal ein Stück vorgezogen, so dass immer neues, unverbrauchtes Papier zur Verfügung steht. Dadurch war es möglich, schnell und in großer Zahl Prägungen herzustellen.
Die Prägereien in England nutzten die Möglichkeit und konnten den vielen kleinen und großen Manufakturen, auch den Industriebetrieben, die überall entstanden, ebenso den Kanzleien und Privatpersonen Briefpapiere und Geschäftskarten in neuer, viel hochwertigerer Qualität anbieten, als die Kunden es bislang vom vorherrschenden Buchdruckverfahren her gewohnt waren.
Wie der Webstuhl kam wenige Jahre später die neue Technik dann auch auf den Kontinent, wo sie viele eifrige Anhänger fand. Die Maschinen waren damals so gebaut, dass das Farbwerk oben und die Gravur unten war. Die Bögen wurden, wie beim Drucken damals allgemein üblich, von Hand an- und ausgelegt. Da das Stahlstich-Prägeverfahren ein direktes Druckverfahren ist, hatte das zwangsläufig zur Folge, dass das Druckbild beim eingelegten Bogen auf der Bogenunterseite stand. Es erforderte viel Geschick, den Bogen aus der Maschine zu nehmen, ohne die frische Prägung gleich wieder zu verschmieren. Die spärliche Literatur verweist darauf, dass kundige Frauenhände dies tadellos zustande brachten. Jahrzehntelang war dies die einzige Möglichkeit, maschinell hergestellte Stahlstichprägungen auszuführen. Unermüdlicher Erfindergeist jedoch ersann im neu angebrochenen Jahrhundert Abhilfe.
Das für den Präger mühsame „Handling“ wurde durch eine völlige Neukonstruktion wesentlich erleichtert. Die Konstrukteure drehten die Geschichte einfach um. Im Grunde war der Gedanke simpel – sie setzten die Gravur kopfunter nach oben und das Problem war – fast – gelöst. Die Neukonstruktion kam unter dem Namen „inverted“ auf den Markt.
Plötzlich war es möglich, das Ergebnis der Prägung unmittelbar nach dem Prägevorgang zu sehen und auch den Bogen ganz ungefährlich wieder aus der Maschine zu nehmen. Zusätzlich eröffnete sich dadurch auch die Möglichkeit, auf denselben Bogen zwei Prägungen auszuführen, indem der Bogen eingedreht wird. Dieses Eindrehen hätte bei der bisher verwendeten Konstruktion unweigerlich die erste Prägung zunichte gemacht. Das Prägen ging schneller vonstatten und zudem konnte noch Papier eingespart werden.
Der letzte Entwicklungsschritt, den die Stahlstichpressen erfuhren, war etwa um 1960 die Konstruktion des automatischen An- und Auslegers. Dadurch konnte wie bei den damals allgemein üblichen Buchdruckmaschinen das Papier automatisch durch die Maschine geführt werden.
Diese Automatisierung steigerte auch die Produktion. Von den bisher möglichen 500 bis 880 Prägungen, die ein geschickter Präger pro Stunde leisten konnte, wurde die Stundenleistung jetzt auf ca. 1500 bis 1800 Bogen angehoben. Die Maschinen sind mittlerweile seltene Raritäten geworden, da die Produktion neuer Stahlstichmaschinen sowohl vom Hersteller in England wie auch vom Lizenznehmer für einen deutschen Nachbau der Maschine Anfang der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts eingestellt wurde.
Daher werden die Maschinen in den Betrieben sehr sorgfältig gepflegt.
Anfallende Wartungs- und Reparaturarbeiten müssen vom Präger selbst erledigt werden. Auch die heutigen Maschinen arbeiten immer noch mit der Technik der Gründerväter; lediglich leichte Modifikationen haben sich durchsetzen können. Alle Stahlstich-Maschinen sind ausschließlich Einfarben-Maschinen, und je nach Sujet, Bogengröße, Schwierigkeit, Farbtyp etc. wird entschieden, welcher Typ zum Einsatz kommt.
Auch heute noch entsteht keine Stahlstich-Prägung ohne das Wissen, das Geschick, die Geduld und die Leidenschaft des Prägers, der sie ausführt.

Anwendungen

Neben der künstlerischen Anwendung gibt es heute zwei große Gebiete, die sich jedoch dem Wesen nach unterscheiden: der Wertpapierdruck und die Korrespondenzpapiere. Der Wertpapierdruck wird üblicherweise im rotativen Verfahren hergestellt und dort meist Stich-Tiefdruck genannt. Die Gravuren sind fein und relativ flach, es werden Guillochen und Textteile geprägt.
Bei Briefmarken, Banknoten und Aktien werden in Kombination mit anderen Druckverfahren regelmäßig Stahlstich-Prägungen eingesetzt. Es kommen speziell für diesen Anwendungsbereich hergestellte Farben zur Anwendung, die neben einer besonderen Abstimmung auf dieses Verfahren auch noch viele, zum Teil auch verborgene Eigenschaften besitzen, welche das damit bedruckte Papier in jeder Hinsicht mit einem hohen bis sehr hohen Grad an Fälschungssicherheit ausstatten.
Briefpapiere und Geschäftskarten im Stahlstich-Prägedruck werden seit Beginn dieser Drucktechnik vornehmlich für Geschäftsleitungs-Briefbogen, Privatpapiere, Compliments-Karten usw. eingesetzt.
Anspruchsvolle Privatleute und die Chefs angesehener Unternehmen gehören zur treuen Fangemeinde. Ein nicht unwesentlicher Aspekt einer Stahlstich-Arbeit ist neben der sehr hohen Fälschungssicherheit auch das einzigartige Erscheinungsbild. Für manchen Kunden mag dies wohl mit eines der ausschlaggebenden Kriterien gewesen sein, sich für die Stahlstich-Prägetechnik zu entscheiden. Identische Duplikate der Druckform und damit nicht lizenzierte Nachdrucke sind praktisch nicht herzustellen und somit kann der Kunde ein sehr ruhiges Gefühl haben, dass nicht in seinem Namen unlautere Dinge geschehen. Die Produkte werden entweder in reiner Stahlstich-Technik hergestellt oder aber auch mit den anderen gängigen Druckverfahren kombiniert. Jede Kombination ist prinzipiell denkbar, jedoch erfordert es Fingerspitzengefühl, um beim Kombinieren nicht übers Ziel hinauszuschießen. Sehr überzeugende Arbeiten erscheinen oft in Kombination mit Blindprägungen oder Folienprägungen. Jedoch sind auch feine Kombinationen mit Buchdruck oder Offsetdruck möglich.
Die Auflagenhöhen sind ebenso unterschiedlich wie die Kunden: von 100 Bogen für den Privatmann bis zu mehreren Hunderttausend für große Unternehmen. Jeder Kunde wird individuell bedient.

Dem Kreativen wird durch die Möglichkeiten der Prägetechniken ein großartiges Gestaltungsmittel an die Hand gegeben. Unverwechselbare Druckprodukte mit Noblesse und Understatement lassen sich so erzielen.
Die Papiermacher bieten heutzutage eine schier unübersehbare Vielfalt an Papieren an. Die Auswahl sollte aber in jedem Fall zusammen mit dem Stahlstich-Präger erfolgen. Freilich, man kann auf jedes Papier prägen, aber herausragende Ergebnisse erfordern auch vom Papier gewisse Eigenschaften.